Auswirkungen
von Stress während der Trächtigkeit
von Marion Reich
Dass
ein Organismus während der Embryonalzeit besonders empfindlich
für schädigende Einflüsse ist, ist schon länger
bekannt. Besonders die frühen Phasen der Organentwicklung sind
sensibel für teratogene Schäden, also Fehlbildungen des
Embryos. Weniger bekannt ist, dass auch Stress der Mutter während
der Trächtigkeit große Auswirkungen auf die Entwicklung
der Jungtiere und ihre Anpassungsfähigkeit im Leben hat.
Man
weiß von Hunden,
dass emotionale Stressfaktoren während der Trächtigkeit
zusammen mit widrigen Bedingungen nach der Geburt Einfluss darauf
haben, wie ängstlich oder auch aggresiv die Welpen im späteren
Leben reagieren. Der Stress, dem das Muttertier während der
Trächtigkeit ausgesetzt ist, bereitet den Embryo auf ein
gefährliches Leben vor, denn in einem gefährlichen Umfeld
hat ein ängstlicheres Tier bessere Überlebenschancen.
In der Heimtierhaltung kann diese besondere Ängstlichkeit
aber zu massiven Beeinträchtigungen für das Tier führen.
Bei Hausmeerschweinchen wurden an der Universität Münster
von Prof. Nobert Sachser und Dr. Silvia Kaiser einige Studien
zum Einfluss von Stress während der Trächtigkeit durchgeführt.
War das Muttertier während der Trächtigkeit großem
sozialen Stress ausgesetzt, zeigen die Töchter eine deutliche
"Vermännlichung". Sie haben zum Beispiel einen
erhöhten Testosteronspiegel und zeigen Balzverhalten. Durch
dieses aggressivere Verhalten haben sie in sehr großen Gruppen,
in denen die Sozialpartner häufig wechseln, bessere Chancen
sich fortzupflanzen.
Die Söhne haben dagegen eine verzögerte Entwicklung.
Sie kuscheln gern und verhalten sich, als wären sie noch
nicht geschlechtsreif. Man nimmt an, dass sie dadurch in der Gruppe
Auseinandersetzungen vermeiden können.
Ein
weiterer Faktor, der während der Trächtigkeit Folgen für
die Nachkommen hat, ist Unterernährung bzw. Hunger. Das konnte
sowohl beim Menschen als auch bei einigen Säugetierarten beobachtet
werden. Der Embryo wird während der Schwangerschaft/Trächtigkeit
auf eine Nahrungsknappheit nach der Geburt vorbereitet. Leben die
Nachkommen dann aber in einem Umfeld mit normaler Nahrungsversorgung,
zeigen sie eine erhöhte Anfälligkeit für Übergewicht,
Diabetes mellitus und Herz-Kreislauferkrankungen.
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