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Protokoll
einer Vergesellschaftung
Vergesellschaftung von einem erwachsenen Weibchen zu einer 5er-Gruppe
von Marion Reich
Nach
Snoopys Tod sollte Dinih Teil meiner 5er-Gruppe werden. Dinih
war etwa 3,5 Jahre alt, die übrigen Mitglieder der Gruppe
waren etwa 4 Jahre alt (Freja), etwa 3,5 Jahre alt (Benji), 2,5
Jahre alt (Lea) und ein knappes Jahr alt (Georgie und Nui). Benji,
Lea, Freja, Georgie und Nui waren zu diesem Zeitpunkt schon mehrere
Monate zusammen - eine mäßig harmonische Gruppe, in
der Streit schon an der Tagesordnung steht, vor allem zwischen
Georgie und Nui. Allerdings handelt es sich um harmlose Streitigkeiten
ohne Bissverletzungen. Lea ist das ranghöchste Weibchen der
Gruppe, Nui bildet als Jüngste die "Nachhut".
Mit
der Vergesellschaftung von einem erwachsenen Weibchen in eine
Gruppe betrat ich für mich Vergesellschaftungsneuland. Dinih
war ein pensionieres Zuchtweibchen und ein ziemlich willensstarkes
Weibchen, das sich nicht so leicht unterordnete, was sich in den
Wochen nach der Gruppenzusammenführung leider bestätigen
wurde. Auch Lea war äußerst willensstark und nicht
bereit, ihre Rolle als ranghöchstes Weibchen aufzugeben.
Dieser Charakterzug hatte schon bei der Vergesellschaftung mit
Freja zu Problemen geführt und machte auch diese Vergesellschaftung
nicht einfacher.
Die
Vergesellschaftung von erwachsenen Weibchen ist
meistens eine langwierige Angelegenheit. Ich hatte schon Fälle,
in denen es zunächst so ausgesehen hatte, als würde
alles bestens über die Bühne gehen - und am 2. oder
3. Tag nach der Vergesellschaftung kam es dann zu einer Eskalation,
die manchmal dazu führte, dass ich die Tiere wieder trennen
musste. Es ist bei jeder Vergesellschaftung wichtig, Ruhe zu bewahren
und sich möglichst nicht einzumischen - man sollte die Tiere
an den ersten Tagen (und Wochen) aber auch immer im Auge behalten,
damit man notfalls doch eingreifen kann, sollte es zu schlimmen
Auseinandersetzungen oder gnadenlosem Mobbing kommen.
Im
Fall von Dinih kam es nach ziemlich genau einem Monat, den alle
sechs großteils friedlich gemeinsam verbracht hatten, zu
einer Eskalation. Um die für alle Gruppenmitglieder sehr
stressige Situation zu beenden, nahm ich Dinih gemeinsam mit Georgie,
dem Weibchen, mit dem sich Dinih augenscheinlich am besten vertragen
hatte, aus der Gruppe. Während die verbleibende 4er-Gruppe
mit sehr ruhigem Verhalten reagierte (aber trotzdem bei Freja
und Benji Stressanzeichen, wie Gewichtsverlust bzw. leichter Durchfall
zu bemerken waren), zeigte sich sehr schnell, dass eine Haltung
von Dinih und Georgie als Zweiergruppe für keine von ihnen
eine gute Lösung war. Darum brachte ich die Gruppe nach zwei
Wochen nochmals zusammen. Die erste Integration verlief problemlos.
Natürlich machten Lea und Dinih praktisch dort weiter, wo
sie zwei Wochen vorher aufgehört hatten - aber diesmal konnten
sie die Fronten klären. Diese erste Zeit, in der sie wieder
zusammen waren, war besonders für Lea sehr stressig - sie
war einige Male in der Nacht am Chirpen, aber zum Glück kehrt
doch bald Ruhe ein. Lea konnte ihre Position als ranghöchstes
Weibchen gegen die ältere und größere Dinih verteidigen.
Tag
0 |
Snoopy
muss eingeschläfert werden. Dinih bleibt allein zurück.
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Tag
1, 2 |
Dinih zieht in dem großen Gruppenkäfig ein, ist
aber durch Gitter von den anderen getrennt (kleiner Käfig,
links hinten). So kann sie ihre zukünftigen Gruppenmitglieder
ein bisschen kennen lernen und umgekehrt.
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Tag
3 |
Die
Vergesellschaftung findet in einem Zimmerfreilaufgehege statt.
Ausgestattet ist das Gehege mit 6 Kuschelrollen, eine für
jedes Schweinchen, einem großen Heuhaufen und einer
Wasserflasche (für meine besonders durstigen Damen Freja
und Lea). Kuschelrollen sind bei Vergesellschaftungen besonders
geeignet, weil sich die Tiere damit weder selbst noch gegenseitig
verletzen können. Auf keinen Fall eine urindichte Unterlage
vergessen! Und es macht sich auch bezahlt, die Seitenteile
des Zimmerfreilaufgeheges zumindest teilweise mit Handtüchern
oder ähnlichem abzudecken, damit man im Falle einer wilden
Harnspritzerei einen Schutz der Umgebung des Geheges hat.
Zunächst wird Dinih Nui und danach Lea vorgestellt,
dann kommt Benji dazu. Dinih verzieht sich in eine Kuschelrolle,
in der sie auch den größten Teil des Tages verbringt,
die anderen beachten sie anfangs kaum, beschnuppern sie
aber interessiert, wenn sie in ihre Nähe kommen. Es
gibt kein wildes Gebeiße, Gejage oder sonstige offensichtlich
aggressiven Verhaltensweisen.
Nachdem der 1. Schritt so gut gelaufen ist, kommt Freja
dazu in den Freilauf - und nach einer Weile Georgie. Nachdem
ich Georgie bis jetzt für das aggressivste Weibchen
meiner Gruppe gehalten hatte, habe ich mich dazu entschlossen,
sie als letzte dazuzuholen und vorher die Reaktion der anderen
zu beobachten.
Aber
es bleibt friedlich! Dinih versucht sich möglichst
unsichtbar zu machen, stoßt die typischen "Alarmanlagen"-Schreie
aus, wenn ihr eines der anderen zu aufdringlich wird, aber
sonst herrscht ziemliche Ruhe. Bald wird auch ein bisschen
gemeinsam Heu gefressen, etwas später gibt es eine
Runde Endiviensalat.
Alles
in allem verläuft der Tag zwar sehr anstrengend für
alle Beteiligten (die Zweibeinigen mit eingeschlossen ;-),
aber durchaus friedlich.
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von
links nach rechts:
Nui (in Kuschelrolle), Freja, Lea, Benji und Georgie,
Dinih (cremefarbig, in der rechten vorderen Kuschelrolle)


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Gegen
Abend beschließe ich, die Herrschaften aus dem Zimmerfreilauf
herauszunehmen und wieder in den Käfig, der in der Zwischenzeit
gründlich gereinigt und frisch eingestreut wurde, zu
setzen. Allerdings werden die beigestellten Käfige durch
ein Zimmerfreilaufareal ersetzt, damit die Schweinchen weniger
Gelegenheit haben, sich gegenseitig in die Enge zu treiben. |
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Tag
4 |
Die
Gruppe ist unter zeitweiser Beaufsichtigung. Nui versucht
sich immer wieder Dinih gegenüber aufzuspielen und es
gibt einige spannungsgeladene Momente, aber keine handfesten
Auseinandersetzungen.
Dinih verhält sich ziemlich "reserviert" und
geht den anderen möglichst aus dem Weg. |
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Tag
5 |
Georgie
ist brünstig und hinter Dinih her (so wie sie sonst hinter
Lea her ist), aber es lässt sich kein aggressives Verhalten
erkennen. Alle wirken etwas erschöpft von den Strapazen
der letzten Tage. Dinih geht den anderen nicht mehr ganz so
sehr aus dem Weg, obwohl sie immer noch häufig Distanz
hält. |

Benji und Dinih
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Tag
6 |
Die
Gruppe übersiedelt wieder in den gewohnten Käfig,
statt des Zimmerfreilaufs werden die üblichen 2 1-Meter-Käfige
an den 1,40er-Käfig gestellt, mit einem schmalen Gang
dazwischen, der zum Zimmerfreilauf führt.
Im
Großen und Ganzen ist es ruhig in der Gruppe, Freja
und Georgie verhalten sich Dinih gegenüber meistens
freundlich, Nui macht sich Dinih gegenüber wichtig.
Benji leidet etwas darunter, dass Dinih nicht brünstig
ist und von seinen Annäherungsversuchen nicht viel
hält - dafür landet des öfteren eine ordentliche
Portion Harn in seiner Richtung - Dinih verleiht dem Ausdruck
Harnspritzen eine neue Bedeutung.
Am Abend gibt es den ersten gemeinsamen Freilauf in der
Wohnung. Dinih ist begeistert mit bei der Sache.
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Tag
7, 8 |
keine
wesentliche Änderung der Situation, es herrscht ziemliche
Ruhe; |
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Tag
9 |
Am
Abend kommt es zu mehreren kleinen Auseinandersetzungen zwischen
Dinih und Lea, in dem Käfig, den Dinih bevorzugt (und
in dem Leas Lieblingswasserflasche hängt). Nach einigen
Situationen, in denen beide einander heftig bedrohen und dann
wieder von einander ablassen und Heu fressen oder eine Runde
schlafen, kommt es dann doch zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung,
aus der Dinih anscheinend unterlegen hervorgeht. Anschließend
geht sie Lea aus dem Weg und sie meidet auch die anderen Weibchen
der Gruppe wieder etwas mehr. |
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Tag
10 |
Es
kommt zu keinen weiteren Auseinandersetzungen zwischen Lea
und Dinih, allerdings weicht Dinih Lea soweit möglich
aus. Nui, die sich während der letzten 2 Tage eher unauffällig
verhalten hat, scheucht Dinih ein paar Mal durch die Gegend.
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Tag
11 |
Dinih
und Freja haben eine kleine Auseinandersetzung, vermutlich
von Dinih angezettelt. Im Anschluss sucht Dinih auch wieder
die Konfrontation mit Lea. |
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Tag
12 |
Dinih
frisst das Gemüsefrühstück erstmals fast vollständig
im Hauptkäfig. Einmal sitzt sie dabei sogar direkt neben
Lea. Das geht aber nicht lange gut. Nach kurzem gegenseitigen
Drohen räumt Dinih das Feld und lässt sich die Gurke
im Nachbarkäfig schmecken. |
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im
Laufe der nächsten Wochen |
Es
waren durchaus nervenaufreibende Zeiten, sowohl für Dinih,
aber auch für die anderen Weibchen der Gruppe. Auch Benji
hatte es nicht leicht, denn fünf Weibchen sind für
ein Männchen schon viel - vor allem, wenn es doch immer
wieder darum geht, Streitigkeiten zu schlichten. Und auch
für Mensch waren die letzten Wochen nicht immer einfach.
Zwischenzeitlich konnte man aber eine leichte Entspannung
beobachten. Das Problem ist nur, dass Dinih offensichtlich
Lea nicht als ranghöchstes Weibchen akzeptiert, Lea aber
auch vor Dinih nicht freiwillig kapituliert. So kommt es zwischen
den beiden (nach fast einem Monat des großteils friedlichen
Zusammenlebens) doch immer wieder zu heftigen Drohgebärden
und auch zu Beißereien. |
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Tag
29 |
Lea
hat eine leichte Bissverletzung am Ohr. |
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Tag
31 |
Lea
hat eine leichte Bissverletzung am linken Auge. |
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Tag
32 |
Es
herrscht ziemlicher Stress innerhalb der Gruppe. Die Tatsache,
dass Lea und Dinih sich nicht darauf einigen können,
wer im Rang höher steht, wirkt auf alle Gruppenmitglieder
sehr beunruhigend, besonders auch auf Benji. Benji attackiert
sogar (scheinbar) völlig grundlos Georgie, das Weibchen,
das sich am besten mit Dinih versteht.
Nachdem
die Situation zu eskalieren droht und um den Tieren weiteren
Stress zu ersparen, wird Dinih mit Georgie aus der Gruppe
genommen.
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im
Laufe der nächsten zwei Wochen |
Dinih
und Georgie sind zusammen untergebracht, getrennt von den
anderen Schweinchen. Georgie, die nicht gewöhnt ist,
nur ein weiteres Tier als Gesellschaft zu haben, verhält
sich extrem aufdringlich und ist offensichtlich unglücklich.
Dinih, die sich bisher mit Georgie gut verstanden hat, geht
ihr möglichst aus dem Weg.
Nachdem
auch diese Situation zu viel Stress bedeutet, beschließen
wir, noch eine Gruppenzusammenführung zu wagen.
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Tag
47 |
Dinih
und Georgie werden wieder mit Benji, Lea, Freja und Nui zusammengeführt.
Dazu wird wieder ein Zimmerfreilauf aufgebaut. Zunächst
wird Georgie zur Gruppe gesetzt, nach wenigen Minuten auch
Dinih. Georgie ist nach recht kurzer Zeit wieder fast vollständig
in die Gruppe integriert. Bei Dinih dauert es ein bisschen
länger - und Lea ist alles andere als erfreut, dass Dinih
wieder da ist.
Nachdem
sich der Käfigaufbau als nicht optimal erwiesen hat,
weil sich die Tiere zu sehr gegenseitig in die Enge treiben
konnten, wird ein neuer Käfigaufbau ausprobiert. Es
werden der 1,40er-Käfig und drei 1-Meter-Käfige
kombiniert.
Diesmal
bleibt die Gruppe nur so lange im Freilaufgehege, wie der
Aufbau der neuen Anlage dauert. Es werden auch nicht alle
Käfige frisch gemacht, denn die Tiere kennen einander
ja schon. Der Umzug in die neue Käfiganlage verläuft
problemlos.
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im
Laufe der nächsten zwei Wochen |
Dinih
und Lea machen dort weiter, wo sie zwei Wochen vorher aufgehört
haben. Allerdings kommt es diesmal zu keinen Verletzungen.
Anfangs ist Lea sehr gestresst, aber nach ein paar Tagen entspannt
sich die Lage sichtlich. Und es kommt kaum mehr zu Streit
zwischen Lea und Dinih. Allerdings hat man auch nicht den
Eindruck, dass sie einander aktiv aus dem Weg gehen. Natürlich
gibt es immer wieder Streit, besonders wenn eines der Weibchen
brünstig ist, aber wir wollen hoffen, dass die Gruppe
jetzt zu einer stabilen Einheit zusammenwachsen kann.
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von
links nach rechts: Georgie, Dinih, Benji, Lea, Freja und
Nui
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einige
Monate später |
Es
hat eine Weile gedauert, aber mittlerweile hat sich die Situation
in der Gruppe wirklich entspannt. Dinih geht Lea zeitweise
noch immer etwas aus dem Weg - der Käfig ist ja groß
genug - aber Streit gibt es kaum mehr. Anders zwischen Freja
und Dinih, die sich zeitweise gut verstehen und friedlich
nebeneinander fressen und sich zeitweise aber auch dick aufplustern
und wütend anklappern. |
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